Spotlight #25 - Abo-Overflow (Teil 2)

Published: Thu, 07/15/21

SpotLight #25  |  15.07.2021
Na, haben Sie alle Ihre Abos gezählt … oder haben auch Sie längst den Überblick verloren?

Einen Überblick, zumindest über die kostenpflichtigen Abos, bekommt man relativ schnell, wenn man sich seine Kontoauszüge (inklusive PayPal, Kreditkarten und Festnetz- und Handyabrechnungen) über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten einmal genauer anschaut und eine Liste der regelmäßigen Abbuchungen erstellt. So manch einem wird dabei wohl leicht schwindlig werden. Das Ganze kann sich auf eine ganz schöne Summe summieren im Laufe des Monats oder Jahres.

Der eine oder andere wird auf die eine oder andere “Aboleiche” stoßen, denn viele Abos “liegen” irgendwo ungenutzt in der Ecke. Man hat sie sich man angeschafft, weil man der Meinung war, dass sie doch ganz nützlich wären. Flatrates von Bilderdatenbanken (z. B. Fotolia (jetzt Adobe Stock), Shutterstock) sind hier ein gutes Beispiel: So ungefähr drei Tage schafft man es diszipliniert das Kontingent herunterzuladen aber spätestens nach zwei Monaten erinnert man sich nur noch daran, wenn man mal wieder zufällig die Abbuchung auf dem Kontoauszug sieht. Dann nimmt man sich vor, ab jetzt aber wirklich … Sie wissen, wie das endet.

Auch die ganzen kostenlosen Abos, allen voran die vielen Newsletter, können auf die Dauer ziemlich nerven. Sie fressen Platz, Aufmerksamkeit und “versperren” die Sicht auf die wirklich wichtigen Dinge. Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo einem dieser Abo-Overflow zu viel wird - und man ernsthaft überlegt, wo man zuerst die Axt anlegt im Abo-Dschungel.

Wieviel Abos, Konten und Mitgliedschaften braucht der Mensch in (wieder) normalen Zeiten? Wieviel kann (und will) er sich dann leisten?

Einige Experten gehen davon aus, dass der Abo-Markt noch einiges Potenzial hat weiter zu wachsen. Andere sehen schon jetzt den Punkt gekommen, wo der Markt weitgehend gesättigt ist und die Konsumenten einfach keine Lust (und kein Geld) mehr haben noch mehr Abos abzuschließen. Auch, wenn ersteres der Fall sein sollte: Über kurz - oder etwas länger - wird Fall Zwei eintreten.

Das bedeutet nicht, dass einfach keinen neuen Abos mehr abgeschlossen werden. Neue interessante Angebote werden auch weiterhin interessierte Kunden finden. Es bedeutet aber, dass die Zahl der Abos, die ein Kunde sich leistet, stagnieren oder sogar wieder fallen wird. Irgendwann kommen wir an den Punkt, wo man sich fragt:
  • Welche Abos brauche ich wirklich?
  • Welche Abos “opfere” ich für die nächsten Urlaubsreisen, Restaurant- oder Kinobesuche?
  • Welches alte Abo muss “Platz machen” für das neue Abo, dass ich unbedingt haben will?
Lohnt es sich überhaupt noch (noch) ein Abo auf den Markt zu bringen?

Der Abo-Boom kam ja letztlich nicht nur wegen der Corona-Krise in Gang. Sie hat ihn zwar beschleunigt aber die Entwicklung hin zu Abo-Business-Modellen hat schon lange vorher begonnen. Und auch den digitalen Bereich hat diese Entwicklung voll erfasst. Je mehr Inhalte digital konsumiert werden, desto mehr sind die Anbieter auch darauf angewiesen, diese irgendwie zu finanzieren.

Lange waren in den Inhalt integrierte Affiliate-Links und/oder drumherum platzierte Werbeanzeigen das Mittel der Wahl aber Add-Blocker und Cookie-Verbote machen diese Form der Refinanzierung immer schwieriger. Man stellt den Content kostenlos ins Netz, bekommt aber keine Gegenleistung, weil die Werbebanner vom Konsumenten blockiert werden oder weil er die Nutzung von Daten zu Werbezwecken nicht erlaubt. Dem Konsumenten daraufhin den Zugang zu den Inhalten zu verwehren ist laut DSGVO nicht erlaubt. Was bleibt ist den Content eben nicht mehr öffentlich und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Und das geht am besten über ein Abo-Modell.

Die Finanzierung über Abos ist natürlich nicht neu. Das gibt es schon seit es Zeitungen gibt. Hier ein kleiner (unvollständiger) Überblick über einige gängige Abo-Modelle.

Das klassische Abo-Modell

Klassische Abos sind zum Beispiel Zeitschriftenabonnements. Der Kunde bucht das Abo, zahlt regelmäßig (monatlich, halbjährlich, jährlich) seinen Obolus und das Unternehmen (hier meist der Verlag) schickt regelmäßig die abonnierte Zeitschrift. Ansonsten passiert nichts. Das Abo läuft so vor sich hin und verlängert sich regelmäßig. Es gibt keinerlei Kommunikation. Das einzige, was der Verlag tun muss, ist den Kunden davon abzuhalten, das Abo irgendwann einmal zu kündigen.

Den Verlagen laufen aber schon länger die Abonnenten davon bzw. sterben einfach aus. Für ältere Menschen sind Abos von Tageszeitungen, Fernsehzeitungen und Boulevard-Blättchen Teil des Lebens, seit sie geboren sind. Für jüngere Menschen sind sie ein Anachronismus. Nicht schnell genug, nicht aktuell genug und auch sonst - viel zu umständlich. Klassische Abonnements sind die Dinosaurier unter den Abos und das Internet ist der Komet.

Zeitschriftenverlage setzen deshalb zunehmend auf digitale Abos, haben aber noch immer Schwierigkeiten mit der Akzeptanz beim Leser. Man ist es schließlich gewohnt, alle Informationen kostenlos irgendwo im Netz zu bekommen und bevor man beim “SPIEGEL” dafür bezahlt, schaut man lieber in die sozialen Netzwerke. Ob Qualität hier irgendwann “kostenlos” schlägt, wird sich noch zeigen aber digitale Abos werden wohl nie den gleichen Stellenwert erreichen wie klassische Abos in den Zeiten vor dem Internet.

Allerdings sind digitale Abo-Modelle im Vergleich zu klassischen Abos so einfach und unkompliziert umzusetzen, dass sie auch weniger versierten Menschen und Unternehmen die Möglichkeit bieten in diesen Markt einzusteigen. Alles, was man braucht, sind eine Webseite und eine Art Bezahlschranke, die kostenlose von Bezahl-Inhalten trennt. Das kann man ohne große Programmierkenntnisse mit jedem Wordpress-Blog in Minuten einrichten.

Kostenlose Abonnements

Weil die Einstiegsschwelle bei digitalen Abos so gering ist, gilt aber mittlerweile auch hier: “Was einfach ist, macht jeder”. Und so ist auch hier innerhalb weniger Jahre ein fast unüberschaubares Angebot gewachsen. So gut wie jeder Internet-Unternehmer hat heutzutage irgendein digitales Abo-Modell - und sei es nur der kostenlose Newsletter.

Doch nur die wenigsten werden irgendwann damit wirklich Geld verdienen, geschweige denn davon leben können, denn sie stehen vor dem gleichen Dilemma, wie die großen Verlage: “Warum zahlen, wenn man es an der nächsten Ecke umsonst bekommt?” Man muss hier schon dauerhaft einen deutlichen Mehrwert liefern, und das auf möglichst individuelle, unverwechselbare Art. Oft kommt es hier mehr auf die Persönlichkeit der Menschen (oder Unternehmen) hinter dem Angebot an, als auf das Angebot selbst. Das “Wie liefere ich” macht den Unterschied, nichts das “Was liefere ich ”.

Das beste Beispiel für kostenlose Abonnements im Internet sind die vielen Newsletter - oder neuerdings auch Podcasts, die man einfach abonnieren kann. Newsletter-Abos sind niederschwellige Angebote, man macht sich keine großen Gedanken, wenn man sie abonniert. Man zahlt ja kein Geld, ist an nichts gebunden und kann jederzeit problemlos und ohne lange Fristen wieder kündigen. Spätestens dann, wenn man mit Werbung genervt wird.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften sind Abonnements mit zusätzlich einer sozialen Komponente, einer Gemeinschaft (Community) von Gleichgesinnten. Im “echten Leben” sind es vor allem Vereine, in denen man sich organisiert um zusammen ein Hobby zu betreiben (z.B. Sportvereine) oder gemeinsame Interessen zu verfolgen (z. B. Parteien).

Bei den meisten Mitgliedschaften werden monatliche Kosten fällig - von wenigen Euros bis zu mehreren Hundert - und sie sind nicht ganz so einfach zu kündigen wie Newsletter-Abos. Wer schon einmal spontan ein Fitness-Studio-Abo kündigen wollte, weiß, wovon ich rede. Meist muss man für 12 oder 24 Monate abschließen und hat nicht die Möglichkeit vorzeitig aus dem Vertrag herauszukommen. Man muss eher aufpassen, dass man nicht zu spät kündigt, sonst verlängert sich der Vertrag automatisch.

Bei einer anderen Form (zum Beispiel Buchclubs) zahlt man eine geringe jährliche Grundgebühr, muss aber im Jahr einen bestimmten Mindestumsatz, zum Beispiel eine verpflichtende Bestellung, tätigen.

Eine spezielle Form der Mitgliedschaft sind Foren, Gruppen und ähnliches in den sozialen Netzwerken. Sie sind noch näher dran am Alltag - und den sozialen Kontakten - der Menschen. Facebook zum Beispiel hat ein Fan-Abo-Funktion. Fans eines Creators zahlen einen monatlichen Betrag und erhalten im Gegenzug exklusiven Zugang zu Inhalten, Rabatten und/oder dem Creator selbst. Dafür erhalten sie ein Abzeichen und können sich so als Supporter kennzeichnen.

Aber es gibt auch kostenlose Mitgliedschaften. Das sind meist Basisangebote, die einige Grundfunktionen des Service beinhalten, für den, der nicht mehr braucht, aber auch dazu dienen, dem Basis-Abonnenten möglichst elegant und unaufdringlich zu zeigen, was er alles nicht hat. Sie sollen den Wunsch nach mehr wecken, können dem Interessenten aber auch einen niedrigschwelligen Einblick in die Qualität des Angebots verschaffen und ihm so die Abo-Abschluss-Entscheidung erleichtern.

Service-Verträge

Hier sind Verträge gemeint, die eine regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen betreffen. Das beste Beispiel: Mobilfunkverträge. Aber auch Partnerbörsen, Strom- oder Gasverträge funktionieren nach dem gleichen Muster.

Oft wird mit anfänglich sehr geringen Gebühren geworben, die sich dann nach 6 oder 12 Monaten umso deutlicher erhöhen. Die ersten 6 Monate billige 9,99 Euro (damit wird kräftig geworben) und die restlichen 18 Monate für happige 39,99 Euro (das steht dann lediglich im Kleingedruckten).

(Allerdings hat der Gesetzgeber hier vor kurzem ein neues “Gesetz für faire Verbraucherverträge” beschlossen, das die Rechte der Kunden, insbesondere bezüglich der Kündigung und der automatischen Verlängerung verbessert.)

Was Service-Verträge über Strom- oder Gaslieferungen im Alltag sind, sind Software- und Hardware-Abos für Internet-Unternehmer. Auch hier gibt es einen klaren Trend
  • weg von den ursprünglichen Lifetime-Angeboten (Man zahlt einmal und kann die Version nutzen, so lange man will, muss aber für eine neue Version wieder neu zahlen)
  • hin zu sogenannten Saas-Abos. Software as a Service bedeutet, dass man für die Nutzung einer Software regelmäßig zahlt aber auch regelmäßig kostenlos entsprechende Updates und neue Versionen bekommt.
Früher noch hat man jede neue Windows-Version einzeln kaufen müssen, um Office und Co. zu nutzen, was viele nicht gern gemacht haben. Heute bekommt man Windows 10 (in der Home und Pro-Version) gratis, zahlt aber monatlich für ein Microsoft 365-Abo (darin sind jetzt Office und Co.) und ist immer auf dem neuesten Stand - das ist natürlich ein Vorteil, aber den “erkauft” man sich mit über die Laufzeit auch höheren Kosten.

Auch für Software gibt es oft kostenlose Basis-Varianten und kostenpflichtige Premium-Versionen bis hin zu Komplett-Paketen inklusive Installation, Wartung und Schulung. Speicherplatz in Clouds gibt es ebenso im Abo und, wenn man so will, sind auch Bezahlsysteme wie PayPal eine Art von Abos, bei denen man jeweils für eine konkrete Leistung (Transaktion) zahlt.

Multiple-revenue-Streams

Das englische Wort “revenue” bedeutet ganz einfach “Einnahme”. “Multiple” steht für “mehrere” und “stream” ist der “Strom” - ein Strom von mehreren Einnahme(quellen).

Platzhirsch auch bei dieser Form von Umsatzoptimierung ist Amazon mit seinem Prime-Abo. Hier bekommt man nicht nur kostenlosen Premiumversand zum nächsten Tag sondern auch noch jede Menge anderer Vorteile, Vergünstigungen, Sonderservices, Rabatte und Exklusivangebote.
  • Prime Video - Streaming von (teilweise exklusiven) Serien, Dokus und Filmen
  • Prime Music - kostenloser, unbegrenzter Zugang auf über 2 Millionen Songs
  • Prime Reading - kostenlose Leihe von digitalen Büchern, Zeitschriften, usw.
  • Prime Gaming - kostenlose Onlinespiele, In-Game-Inhalte und Channels Amazon Photos - unbegrenzter Speicherplatz für Fotos
Dazu kommen Familien-Rabatte, Spar-Abos, Prime Deals und Prime-Exclusive-Artikel.

Und das alles für aktuell nur 7,99 Euro im Monat oder 69,00 Euro im Jahr. Einfach ein unschlagbarer Preis!

Jeff Bezos selbst hat zugegeben, dass man von Anfang an nicht vorhatte mit den Abogebühren Gewinn zu machen. Man will es den Kunden einfach und lukrativ machen bei Amazon zu bleiben. Je mehr Aktivitäten ein Kunde exklusiv über Amazon abwickelt, desto mehr Geld läßt er auch bei Amazon. Die Einführung von Prime 2005 in den USA (2007 in Deutschland) war für Amazon der wichtigste Schritt hin zum größten Onlinehändler der Welt.

Diese Strategie nennt sich auch “Wallet Garden” (ummauerter Garten) und wird unter anderem auch sehr erfolgreich von Apple eingesetzt. Ist ein Kunde erst einmal im “Garten”, macht man es ihm so schwer wie möglich über die Mauer zu klettern und abzuhauen.

Kostenlos oder Bezahl-Abo, oder beides?

Wie gesagt, dass sind nur einige Beispiele für Abo-Modelle aber im Grunde geht es immer darum, den Kunden für einen längeren Zeitraum an das Unternehmen zu binden. Einen Unterschied macht nur die Finanzierungsstrategie:

Der Kunde zahlt sofort und/oder regelmäßig eine Betrag (Monatsabo, Jahresabo, Livetime-Zugang, etc.) Der Kunde erhält etwas kostenlos und man versucht den Kontakt zu nutzen, um dem Kunden im Laufe der Zeit etwas zu verkaufen (Newsletter, Basis-Version, kostenlose Mitgliedschaft, Test-Abo, Probe-Abo, etc.) Der Kunde zahlt sofort und/oder regelmäßig eine Betrag und man versucht zusätzlich ihm etwas zu verkaufen (Basis/Premium-Modell, Updates, Multiple-Revenue-Stream, etc.)

Früher war es noch relativ einfach ein klassisches Monatsabo zu verkaufen. Heute nicht mehr. Die Menschen sind nicht mehr so einfach bereit (noch mehr) längerfristige finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Handy-Abos und Streaming-Dienste sind die Platzhirsche beim Monatsabo und “fressen” das verfügbare Budget so gut wie auf. Zusätzliche Monatsabos haben es deshalb schwer sich länger als zwei, drei Monate zu behaupten. Spätestens bei der nächsten persönlichen “Finanzkrise” werden sie als “nicht lebenswichtig” wieder entsorgt.

Will man sich hier etablieren, muss man schon ein wirklich besonders interessantes - und auf Dauer - relevantes Angebot haben. Gute Chancen haben hier nur ganz spezielle Nischenangebote, die sehr genau auf eine (jeweils aber sehr kleine) Zielgruppe optimiert und gleichzeitig wichtig für das Hobby oder den Beruf sind. Das kann die Fitness-App sein oder das LinkedIn-Netzwerk.

Kostenlose Abos lassen sich zwar einfacher vermarkten aber viel schlechter monetarisieren. Die meisten geraten mit der Zeit in Vergessenheit, andere werden zwar genutzt aber nur ein Bruchteil der Konsumenten nimmt eines der Bezahl-Angebote im Umfeld an.

Für das Abo-Modell plus Zusatzkäufe muss man schon ein sehr gutes Angebot haben und seine Kunden gleich doppelt motivieren, nämlich: nicht zu kündigen - und - mehr zu kaufen.

Für uns Internet-Unternehmer bedeutet das in diesen Zeiten: Es wird nicht leichter auf dem Abo-Markt! Die Kunden sind zunehmend abo-müde und gleichzeitig wird die Konkurrenz immer größer. Lohnt es sich überhaupt noch (noch) ein Abo auf den Markt zu bringen?

Oh man, jetzt habe ich schon zwei Spotlights “verbraucht” für meine Abo-Story - und bin immer noch nicht am Ende. Aber dieser Markt ist einerseits extrem vielseitig, wie ja gerade beschrieben - und andererseits sehr wichtig für die Zukunft von uns Internet-Unternehmern.

Deshalb werde ich noch einen dritten Teil “anhängen”, in dem es dann konkret um die Zukunft des Abo-Marktes geht und ich werde erklären, was - meiner Meinung nach - das beste Abo-Modell für diese Zukunft ist.

Und: Ich werde Ihnen exklusiv erzählen, wie wir unsere InternetUnternehmerAkademie in Zukunft ausrichten werden - diese ist ja auch ein digitales Abo-Modell.

Also, bleiben Sie dran. Es wird spannend!



 

 


 

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